Abtei Michaelsberg Siegburg

Sankt Michael

Kirche der ehemaligen Abtei auf dem Michaelsberg

Einer der letzten Benediktiner-Mönche

Pater Hieronymus gestorben

† P. Hieronymus Horn OSB (1939–2020)

“Wir werden zwar heute alle älter, aber die letzten 20 Jahre röcheln die meisten. Sie können joggen und Heilkräuter essen, wie viel sie wollen, der Tod kommt doch“
(P. Hieronymus in der Vorlesung über Ijob im Sommer 2006)

P. Hieronymus Horn OSB verstarb unerwartet im Missionspriesterseminar St. Augustin am 27. Juli 2020. P. Hieronymus, bürgerlich Guido Horn, wurde am 31. August 1939 in Bigge im Sauerland als letztes von fünf Kindern der Eltern Aloys und Maria Horn geboren. Schon früh erwachte in ihm die Liebe zur Mission, als er als kleiner Junge das Negerchen an der Weihnachtskrippe anstatt mit Groschen mit Hosenknöpfen zum Nicken brachte.

Die Zeit der Volksschule in Bigge von 1946 bis 1951 war emotional zweigeteilt: in den ersten vier Jahren verehrte er seine Lehrerin, im letzten Jahr fürchtete er den Lehrer, seinen eigenen Vater. 1951 wechselte er auf das Neusprachliche Progymnasium in Winterberg, das er bis zur Mittleren Reife besuchte. 1957 wollte er auf das Gymnasium der Missionsbenediktiner in Meschede wechseln. Da es keine Verkehrsverbindungen nach Meschede gab, kam er in ein Internat in Siegburg, von wo aus er zunächst das Städtische Gymnasium, dann aber das Alumnat der Benediktiner auf dem Michaelsberg besuchte, an dem er 1960 seine Gymnasialstudien abschloss.

Im selben Jahr trat er in das Noviziat der Benediktiner ein und erhielt den Ordensnamen Hieronymus, in dem schon seine Liebe zur Heiligen Schrift vorgezeichnet war. Ein Jahr später legte er die ersten Ordensgelübde ab und begann die philosophisch-theologischen Studien an der Hochschule der Redemptoristen in Hennef-Geistingen. 1964 folgte die Feierliche Profess und 1966 die Priesterweihe. 1967 beendete er die Studien in Geistingen mit dem Cura-Examen, das er folgendermaßen kommentierte: „Wenn ich predige, ist das keine schöne Predigt. Aber eine gute!“

1967 erhielt er die Erlaubnis zum Bibelstudium in Rom. Er musste zunächst seine deutschen Studien, die dort nicht anerkannt waren, durch das römische Bakkalaureat und Lizentiat an der Pontificia Università di San Tommaso d’Aquino (Angelicum) der Dominikaner revalidieren. Die Theologie am Angelicum war derart steinzeitgemäß, – so schreibt er – dass er nachlernen musste, wie die ungetauften Kinder nach ihrem Tod in einem Sumpf landen werden.

Im Wintersemester 1968 konnte er sich im Pontificium Institutum Biblicum einschreiben, an dem er 1969 das Bakkalaureat und 1971 das Lizentiat im Fach Bibelwissenschaft erwarb. Bis Juli 1972 arbeitete er an seiner Dissertation, die den Titel tragen sollte „Exegetische Erörterungen von Josua 2. Die theologische Bedeutung dieses Kapitels und seine Geschichte“. Später kommentierte er diese Episode vor seinen Studenten: „Und sehen Sie, da habe ich doch im Bibelinstitut für die Josua-Exegese akkadisch gelernt – nur um eine kleinasiatische Dirnengeschichte im Original lesen zu können“.

Während seiner Studien in Rom betreute er seelsorglich die Slumbewohner im Westen Roms, wo Migranten, Zigeuner und Dirnen zu Hause waren. Die prekäre Situation dieser Menschen ließ ihn an der Güte Gottes zweifeln, wie er später in einer Vorlesung bemerkte: „Manchmal werden Kinder unverantwortlich von Eltern gezeugt. Und niemand hat diese armen Würmchen gefragt, ob sie bei dieser Mutter oder diesem Vater sein wollen. Und sie sind da. Und das wird meine Frage an Gott sein – nicht nur Gott hat Fragen an Hieronymus, sondern auch Hieronymus an Gott: Warum müssen Kinder leiden?“

Mitte des Jahres 1972 wurde er durch seine Ordensleitung von Rom abberufen und zum Seelsorger an St. Servatius in Siegburg bestimmt. 15 Jahre lang verwaltete er dieses Amt, in dem er das Leid der Menschen am eigenen Leib erfuhr. 600 Kommunionkinder bereitete er auf den Tisch des Herrn vor. Aus dieser Zeit stammen seine seelsorgerischen Erfahrungen, die sich in seinen späteren Vorlesungen niederschlugen. So sagte er seinen Studierenden: „Das Wichtigste in der Seelsorge, in der Sterbebegleitung oder beim Trösten überhaupt ist das Zuhören. Wissen Sie, die besten Seelsorger von Siegburg sind die Taxifahrer und Friseure“. Seine tiefe Lebenserfahrung kommt in den Worten zum Ausdruck: „Ich habe sechs bis sieben verschiedene Gottesbilder gehabt im Leben – und alle sind sie jetzt kaputt. Da bin ich auch froh darüber“.

Im Wintersemester 1991/92 wurde er Lehrbeauftragter der Philosophisch-Theologischen Hochschule SVD St. Augustin für das Fach Bibelgriechisch. Im Studienjahr 1994/95 kamen die Fächer Hebräisch und Einleitung in das Alte Testament hinzu. Im April 1996 wurde er Lektor in den Fächern Hebräisch, Einleitung in das Alte Testament und Exegese des Alten Testaments, im April 2001 avancierte er zum Dozenten in denselben Fächern. Seine Lehre war nicht ein hölzernes Herunterbeten althergebrachter oder neuerer Theorien der Exegese, sondern ein lebendiges Zeugnis des Lebens mit dem Wort Gottes. So sagte er seinen Studierenden: „Sie müssen die Bibel lesen, wie man sich ein Mosaik anschaut: Sie müssen das Ganze sehen und nicht anfangen, nur die grünen Steinchen zu zählen, wie das manche Exegeten tun. Sonst sehen Sie nichts!“

Er hat es verstanden, seine jungen Zuhörer für die Bibel und das Bibelstudium zu begeistern. Er hat mit Leidenschaft Gottes Wort der Heilsgegenwart in der Geschichte ausgelegt, wohl wissend, dass – nach seinen eigenen Worten – nur ungefähr 15% davon im Gedächtnis seiner Zuhörer hängen blieben. Die Erfolgsquote dürfte aber weitaus höher gewesen sein.

Mit dem Sommersemester 2007 wurde P. Hieronymus emeritiert. Mitte des Jahres 2011 wurde die Benediktinerabtei auf dem Michaelsberg in Siegburg aus finanziellen und personellen Gründen geschlossen. P. Hieronymus klopfte an die Tür der Steyler Missionare in Sankt Augustin und wurde dort herzlich aufgenommen. So konnte er trotz des herben Verlustes seiner geistigen Heimat in der Nähe seines seelsorglichen Umfelds bis zu seinem Tod verbleiben. Er konnte sich jetzt in aller Ruhe auf Veröffentlichungen seiner Studien konzentrieren. 2013 erschien das Werk „Anfänge, die Geschichte schreiben. Das Buch Genesis (1–11) neu kommentiert (Stuttgart: Kath. Bibelwerk), 2017 „Er hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein ... und wurde ein Jude“ (Kirchheim: Verlag Schlosser), 2018 „Was wirklich in der Bibel steht“ (Mauritius: Fromm Verlag) und 2019 „Es ist einem Mann nicht erlaubt, ohne Frau zu sein“ (Mauritius: Fromm Verlag). Sein Schaffensdrang wurde durch seinen plötzlichen Tod im 81. Lebensjahr jäh unterbrochen. P. Hieronymus bleibt allen als ein Bibelwissenschaftler im Gedächtnis, der die Exegese hautnah in die Gegenwart übersetzen und verständlich darlegen konnte.

Die Steyler Gemeinschaft in Sankt Augustin trauert um ihren lieben Gastbenediktiner.

Sankt Augustin, den 29. Juli 2020                                                          P. Joachim Piepke SVD